Der Herr gibts den Seinen im Schlaf

Es ist der Traum von uns allen, wer hat es als Kind nicht selbst mal versucht? Wir legen das Mathe-Buch unter das Kopfkissen und lernen die schwierigsten Algebra-Aufgaben im Schlaf. Mit Blick auf die so „verdiente“ Prüfungsnote verschwand dann wohl bei den meisten der Glaube an das Lernen im Schlaf wieder. Vielleicht nicht ganz zu recht. Wie steht es wirklich um den Mythos „Im Schlaf lernen“?

Stefanie Neuhauser

Unbestritten ist, dass es einen Zusammenhang zwischen Lernen und Schlaf gibt. Doch kann man sich den Lernstoff besser merken, wenn man vor dem Schlafengehen lernt oder soll man doch lieber am Morgen nach dem Aufstehen büffeln?  Verschiedene ForscherInnen sind in dieser Frage nun auf den Grund gegangen.

Schlaf allein genügt nicht

So liessen zum Beispiel Ines Wilhelm und Susanne Diekelmann (2010) in ihrem Experiment Studierenden Wortpaare lernen und sagten ihnen im Anschluss, dass diese Wortpaare am nächsten Tag abgefragt würden. Die eine Gruppe der Studierenden durfte dazwischen schlafen, die andere nicht. Wenig erstaunlich: Die Ausgeschlafenen erzielten in der Abfrage der Wortpaare am nächsten Morgen wesentlich bessere Ergebnisse als die Gruppe ohne Schlaf. Das Experiment von Wilhelm und Diekelmann brachte aber noch eine weitere Erkenntnis zu Tage. Sie untersuchten eine weitere Gruppe, welche dieselben Wortpaare lernen mussten. Diese Gruppe wusste allerdings nicht, dass am nächsten Tag die Wortpaare abgefragt werden. Das Ergebnis: Trotz ausreichend Schlaf konnten sich diese ProbandInnen viel schlechter an die Wortpaare erinnern.

Schlafen schafft Platz

Was war passiert: Im Unterschied zu den ersten beiden Gruppen gingen diese Studierenden davon aus, dass sie das Gelernte nicht mehr brauchen würden. Unser Hirn filtert im Schlaf all die Informationen welche wir während eines ganzen Tages aufnehmen und trennt wichtige von unwichtigen. Wortpaare die wir vermeintlich nicht wieder brauchen, werden gelöscht, das (vermeintlich) Wichtige wird ins Langzeitgedächtnis übertragen (Wilhelm & Diekelmann 2010). Die Zuschreibungen welche wir den Informationen geben sind die ersten Schritte für das Verarbeiten während des Schlafes.

Ohne Schlaf geht es nicht

Lernen ohne schlafen ist undenkbar. Wenn wir etwas Gelerntes langfristig abspeichern wollen, muss es vom Hippocampus (dem Zwischenspeicher) in die Grosshirnrinde gelangen. Das geschieht erst im Schlaf, genauer in der Tiefschlafphase. In dieser Phase holt sich das Hirn die Informationen aus dem Hippocampus und verarbeitet diese während der REM-Phase. Doch Achtung: Die emotionalen Erlebnisse haben dabei Priorität vor allenfalls gebüffeltem Schulstoff (Spitzer 2012).

Am besten macht Lernen Spass

Das Hirn setzt also Prioritäten in der Verarbeitung des Erlebten und Gelernten! Informationen mit (starken) Emotionen werden vor emotionslosem Lernstoff verarbeitet. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Lernstoff nach Möglichkeit mit Emotionen verbinden. Was uns persönlich betrifft, gelangt viel einfacher ins Langzeitgedächtnis und kann von dort auch viel einfacher wieder abgerufen werden.

Was nun? Morgens oder Abends?

Zurück zur Ursprungsfrage: Der Zeitpunkt des Lernens ist also zweitrangig. Wichtiger ist die Frage, wie stark emotional wir das Gelernte besetzen können. Eine Lernphase kurz vor dem Schlafen, hätte zumindest den Vorteil, dass wir nicht in Gefahr laufen, dass uns am selben Tag noch ein extrem emotionsstarkes Ereignis wiederfährt, welches eher verarbeitet wird als der Lernstoff.