Effiziente Arbeitsweise dank Multitasking?

Weltweit gibt es in der Geschäftswelt Exponenten, die Multitasking als effektive Arbeitsweise propagieren. Doch ist unser Hirn wirklich dafür geschaffen, zwei, drei, vier Dinge sozusagen gleichzeitig zu tun?

Dr. phil Kurt Stocker

Multitasking? Schon Dualtasking ist schwierig.

Schon seit vielen Jahren stellen Psychologen fest, dass dem nicht so ist. Alan Welford belegte beispielsweise bereits in den 40er-Jahren mit entsprechenden Experimenten, dass wir sogar schon Mühe haben, unsere Aufmerksamkeit zwei Dingen sozusagen gleichzeitig zu widmen. Dieses Phänomen wird in der Psychologie dual-task interference genannt. Diese Interferenz (der Einfluss einer Aufgabe auf die andere) tritt nicht nur bei komplexen Denkaufgaben auf. Es reicht es schon aus, wenn wir aufgefordert werden, zwei relative einfache geistige Aufgaben gleichzeitig auszuführen – wie z.B. gleichzeitig entscheiden, ob ein Licht links oder rechts aufleuchtet und gleichzeitig eine Farbe eines Objekts benennen (Untersuchungen von Harold Pashler). Hier noch ein paar weitere Befunde der psychologischen Forschung zu Multitasking:

  • Die Beeinträchtigungen beim gleichzeitigem Autofahren und Handygespräch (in der Hand gehalten oder freihändig) können ähnlich gravierend sein wie die Beeinträchtigungen beim Autofahren in angetrunkenem Zustand. Mit Fahrsimulatoren konnten Strayer und Kollegen (bei 40 VersuchsteilnehmerInnen) beispielsweise nachweisen, dass sich bei gleichzeitigem Autofahren und Handygespräch die Bremsreaktion bedeutend verlangsamt und die Anzahl der Unfälle steigt – im Vergleich zum Fahren ohne Handy.
  • In einer Studie von Watson und Strayer hatten insgesamt 97.5% der 200 Versuchsteilnehmenden Probleme mit der Interferenz einer zweiten Aufgabe während dem Autofahren (Fahrsimulationen). Die zweite Aufgabe involvierte eine Kombination von über das Gehör dargebotenen Erinnerungs- und Rechenaufgaben. 2.5% der TeilnehmerInnen zeigten hingegen absolut keine Einbussen bei den Fahrleistungen – trotz der zweiten Aufgabe. Watson und Strayer nennen sie “Supertaskers.” Aber eben: 97.5% waren keine Supertaskers.
  • Seiner Arbeit nachzugehen und sich gleichzeitig ständig neu eintreffenden E-Mails und SMS zu widmen, ist ja auch eine sehr verbreitete Form von Multitasking. Hier sollte uns eine kleine, nicht publizierte Studie (8 Teilnehmer, vier Männer und vier Frauen) des Psychologen Glenn Wilson aufhorchen lassen. Ständige eintreffende E-Mails und SMS bewirkten, dass die mentalen Fähigkeiten der VersuchsteilnehmerInnen bei einem IQ-Test um durchschnittlich 10 Punkte sanken (bei den Männern von 145.5 auf 127 Punkte und bei den Frauen von 141.25 auf 138.5 Punkte). Zum Vergleich: Die Wirkung von Cannabis mindert die mentalen Fähigkeiten durchschnittlich um 4 IQ-Punkte. Obwohl Wilson diese für den Arbeitsalltag so relevanten Erstbefunde schon vor 8 Jahren lieferte, gibt es bis jetzt leider keine grösser angelegte Studie dazu.
  • Ophir und Kollegen untersuchten die Unterschiede von so genannten heavy media multitaskers (19 Studenten) und light media multitaskers (22 Studenten). Heavy media multitaskers sind Personen, die gleichzeitig mehrere Informations- und Kommunikationskanäle offen haben. Zum Beispiel Studenten, die einer Vorlesung beiwohnen und gleichzeitig am Laptop Emails lesen, SMS beantworten und wohl auch noch Facebook offen haben und twittern. Light multimedia taskers sind Personen, die nicht so oft gleichzeitig diverse Informations- und Kommunikationskanäle offen haben. Mit einer Serie von Testen stellten Ophir und Kollegen fest, dass heavy media multitaskers beim Lösen von Aufgaben schlechter als light media multitaskers waren, wenn es darum ging, irrelevante Information auszuklammern (irrelevante Informationen, die von aussen kamen oder irrelevante Erinnerungen). Zudem, wie die Studie auch feststellte, waren die heavy media multitaskers ironischerweise sogar schlechter als light media multitaskers, wenn es darum ging, zwischen zwei Aufgaben schnell hin und her zu wechseln. Heavy media multitaskers sind also sogar schlechter im Multitasking (!). Wer sich also selten bis nie in eine Sache richtig vertieft, läuft in Gefahr, sich am Schluss auch nicht mehr gut mit verschiedenen Aufgaben befassen zu können (wenn dies dann mal gefragt wäre).

Das Fazit: Eines nach dem anderen.

Unser Hirn arbeitet also am liebsten nach dem Motto do one thing at the time. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass gelegentliches Multitasking (wie light media multitasking) unsere allgemeinen Fähigkeit, den Fokus zu behalten, nicht zu beeinträchtigen scheint. Vom regelmässigen “heavy use” von Multitasking sollten wir jedoch die Finger lassen. Unser Hirn wird es uns danken.

 

Literatur:

Ophir E, Nass C, Wagner AD (2009) Cognitive control in media multitaskers. Proceedings of the National Academy of Sciences  106:15583–15587.

Pashler H (1992) Attentional limitations in doing two tasks at the same time. Current Directions in Psychological Science  1:44–48.

Strayer DL, Drews FA, Crouch DJ (2006) A comparison of the cell phone driver and the drunk driver. Human Factors: The Journal of the Human Factors and Ergonomics Society  48:381–391.

Watson JM, Strayer DL (2010) Supertaskers: Profiles in extraordinary multitasking ability. Psychonomic Bulletin & Review  17:479–485.

Welford AT (1952) The „psychological refractory period“ and the timing of high speed performance: A review and a theory. British Journal of Psychology  43:2–19.

Wilson G (2005) The „infomania“ study