Gesitige Flexibilität dank Mehrsprachigkeit

Frühenglisch und -französisch sind in aller Munde. Grund genug der Frage nachzugehen, wie sich Mehrsprachigkeit oder Zweisprachigkeit auf das Hirn im Entwicklungsalter auswirkt. Studien weisen darauf hin: Wer von klein auf mehr als eine Muttersprache hat, ist im Durchschnitt schlauer!

Stefanie Neuhauser

Alte Mythen

Zweisprachigkeit stört die geistige Entwicklung von Kindern! Diese Annahme war lange weit verbreitet und führte zu sonderbaren Entwicklungen. So berichten Knaus und Nehauser (2007) von Kinder italienischer Secondos, die aus diesem Grund die Muttersprache Ihrer Eltern als Kind nicht lernten. Und das obwohl sie so mit den ausschliesslich Italienisch sprechenden Grosseltern kaum noch kommunizieren können.

Überraschte Forscher

Die Psychologen Elisabeth Peal und Wallace Lambert von der McGill University hatten dieselbe Hypothese als sie Anfang der 60er Jahre die Auswirkung von Zweisprachigkeit auf die Entwicklung von Kindern untersuchten. In 6 verschiedenen Schulen in Montreal untersuchten sie die geistigen Fähigkeiten der Kinder per IQ-Test. In Montreal ist die Amtssprache Französisch, doch viele Kinder wuchsen zusätzlich mit Englisch auf. Peal und Lambert waren der festen Überzeugung, dass diese Kinder sowohl beim IQ-Test (besonders im sprachlichen Teil), als auch bei den schulischen Leistungen hinterherhinken würden.  Die Ergebnisse der Studie waren für die Forscher völlig unerwartet und überraschend: Keine der Hypothesen liess sich bestätigen! Im Gegenteil, die zweisprachigen Kinder hatten einerseits bessere Noten als die einsprachigen und sie waren in fast jedem IQ-Test (egal ob verbal oder nonverbal) ihren MitschülerInnen überlegen!

Nicht nur positive Aspekte

Trotz dieser Ergebnisse und der heute weit verbreiteten Förderung von Zweisprachigkeit, glauben immer noch viele PädagogInnen und Eltern, dass es Kinder verwirren kann früh mit einer Fremdsprache in Kontakt zu kommen. Was wenn man am Ende keine der Sprachen richtig kann? So klagen LehrerInnen beispielsweise, dass das Deutsch der SchülerInnen immer schlechter werde. Und tatsächlich gibt es auch negative Aspekte von Zweisprachigkeit: Zweisprachige Kinder kennen in den einzelnen Sprachen im Schnitt etwas weniger Wörter und wenn man ihnen einen Gegenstand zeigt brauchen sie etwas länger, um die Bezeichnung des Gegenstandes aus ihrem Wortschatz abzurufen.

Flexible, mehrsprachige Säuglinge

Die positiven Auswirkungen von Mehrsprachigkeit auf die kognitive Entwicklung des Hirns überwiegen aber bei weitem. So zeigte eine Studie von Agnes Kovacs und Jaques Mehler von der Universität in Trier, dass bei zweisprachigen 7-monatigen Babys, welche noch kein Wort sprechen konnten, die geistige Flexibilität bereits weiterentwickelt war als bei gleichaltrigen, einsprachigen Babys. Um dies zu messen setzten sie Babys vor einen Computer, bei welchem nach einem Sprachlaut auf der rechten Seite ein lustiges Figürchen zu sehen war. Nach ein paar Widerholungen wendeten die Babys nach ertönen des Sprachlautes den Blick bereits von alleine nach rechts. Im zweiten Teil der Untersuchung änderten die Forscherinnen die Sprachlaute und das Figürchen erschien jetzt im linken Teil des Bildschirms. Während die zweisprachig aufwachsenden Babys auf diesen Wechsel flexibel reagierten, starrten die übrigen Säuglinge weiterhin auf die rechte Seite des Bildschirms.

Mehrsprachigkeit als geistiges Fitnesstraining

Diese Form der geistigen Flexibilität gehört zu den sogenannten  Exekutivfunktionen unseres Hirns. Diese helfen automatisierte Reaktionen notfalls zu unterdrücken, die Aufmerksamkeit gezielt umzulenken oder unser Verhalten wechselnden Anforderungen rasch anzupassen. Gute exekutive Funktionen sind wichtig für das Konzentrationsvermögen und planvolles Handeln – also Fähigkeiten, welche für unseren Arbeitsalltag sehr wichtig sind. Man könnte fast sagen, frühe Mehrsprachigkeit sei ein verbales Hirntraining, welches die geistige Fitness fördere.